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Die auf diesen beiden CDs veröffentlichte „Jazz Reformation“ lebt von der musikalischen und emotionalen Vielschichtigkeit. Ausgehend von der Kirchenmusik vereint dieses Werk orchestralen Jazz, Tango Nuevo, Funk, Salsa und Solo-Improvisationen zu einem neuen Ganzen. Erhältlich als Hörbuch (Doppel-CD, ISBN 978-3-939129-28-8) oder als Instrumental-Version (EAN 4 041306000642), jeweils mit Booklet.

Über diese Produktion

Von Lucas M. Schmid

Angeregt durch Zeitungsartikel und Filmberichte, befasste ich mich 1995 mit den Themen und Vorbereitungen der Evangelischen Kirche für das Lutherjahr 1996. Einige Themen handelten über Neuanschauungen überlieferten Gedankengutes der Kirche, über Reformierung der Strukturen und Aufgaben und über den Werteverfall der säkularisierten Gesellschaft.
Die Zeit und der Geist Luthers waren Anlass für die Entstehung dieser Suite. Luther löste sich von der trägen mittelalterlichen vita contemplativa und läutete die Neuzeit mit der vita activa ein. Hier sei angemerkt, dass nicht eine fitnesstrunkene, Körperkult bezogene vita activa nach moderner Vermarktungsstrategie gemeint ist, sondern die aktive Auseinandersetzung mit Werten und Formen. Luther ignorierte die italienische Renaissance, vielleicht unbewusst weil sein größter Gegner in Rom war. Der Begriff der vita activa wurde von den italienischen Humanisten aus der Zeit geprägt. Die Haltung der vita activa ist jedoch universell. Man soll sich hüten Reformation, Renaissance und Humanismus in einen Topf zu werfen, doch wer mag der kühnen These widersprechen, daß der Geist Luthers der "Idee des Renaissancearchetypus" entspricht?

Gewiss haben sich Wandlungen auf vielen Ebenen seit der Reformation vollzogen. Auch auf kirchenmusikalischer Ebene sind neue Interpretationswege und -Versuche festzustellen. Luther verstand es seinerzeit, sich des Mediums Musik geschickt zu bedienen. Er übernahm bekannte Melodien aus der Vorreformationszeit, wenn nötig modifizierte er sie, und versah sie mit einem neuen Text. Anfangs kannten die Gemeindemitglieder die Texte zwar nicht, aber zumindest konnten sie schon mitsingen, weil ihnen die Musik vertraut war. Am Anfang waren die Melodien, einige davon gehören zu den ältesten Weisen abendländischer Kultur.

NDR Bigband
NDR Bigband

Eine Brücke zu schlagen und diese Musik in das schöpferische, junge Idiom des Jazz zu transportieren, empfand ich als aufregendes Unterfangen. Wie viele Musikgattungen, so ist auch der Jazz aus einem "Schmelztiegelprozeß" entstanden. Eine der Schmelztiegel-Ingredienzien ist der Gospel, ein Kirchenlied. Eine andere die Improvisation, in der Kirchenmusik von Organisten über mehrere Jahrhunderte praktiziert. Wohl in höchster Vollendung beherrschte Johann Sebastian Bach die Improvisation, seine Bearbeitungen der Luther Choräle für Orgel sind allgemeines Kulturgut.

Den raumfüllenden Klangeindruck einer Orgel auf eine Bigband zu übertragen, lag auf der Hand. Dieses große Ensemble verfügt ebenfalls über eine Fülle von Klangfarben, zudem ist es mit siebzehn Improvisatoren besetzt. Die Musik von Luther lässt bei der Bearbeitung viel Ausdrucksfreiheit zu. Diese findet man im Jazz wieder, erweitert durch die Soloimprovisation.

NDR Bigband
Lucas M. Schmid

Als Musiker der NDR-Bigband war mir die Möglichkeit gegeben, die auf Partitur geschriebene – stumme- Musik in Klang umzusetzen. Das aufregende Unterfangen kulminiert mit der aufregenden Erfahrung der Aufführung.

 

PRESSESTIMMEN

JAZZPODIUM: (…) das Hörbuch mit dem Mix aus Suite und Erzähltexten einschließlich der geistesgeschichtlichen Verortung ist eine pfiffige Idee. Philosoph und Luther-Kenner Rehfus enthält sich jeglicher Konfessionalismen, so wird eine unvoreingenommene Annäherung möglich.

JAZZTHING: (…) Wenn Marcio Doctor im „Hussen-Lied“ sein Schlagwerk-Arsenal erklingen lässt, wenn Egon Christmanns Posaune die Mauern der Römischen Kirche umbläst oder wenn Altist Peter Bolte in „Patrem“ ein rattenscharfes und vielleicht vom Heiligen Geist inspiriertes Solo vom Stapel lässt – dann ist diese Suite so richtig großartig.

hr
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